Panikrocker Udo Lindenberg auf Zwischenlandung in Erfurt
20.000 Fans feiern ihr Idol an zwei Abenden in der ausverkauften Messehalle
15.06.2019 [red] Punkt 20 Uhr gehen die Scheinwerfer in der Messehalle in Erfurt für einen Moment aus. Der Jubelsturm der Masse vor der Bühne und auf den Rängen setzt ein. Schon jetzt ist es in der Halle verdammt heiß – und es wird noch heißer. Ein Knall. Nebel steigt auf. Keine Panik! Udo Lindenberg ist auf Landeanflug. Auf der Videoleinwand rollt seine Maschine „Panik 1“ heran. Eine Treppe wird herangeschoben. Der rote Teppich ist ausgerollt. Nach seinen Tänzerinnen, die sich mit Hut, Brille, Röhrenjeans und Jackett genau wie Udo kleiden, tänzelt der 73-jährige Alt-Rocker leichtfüßig die Stufen hinab. Sein unverwechselbarer Gang und seine grünen Socken verraten das hier als Letzter aus der Maschine der Panikrocker selbst daherkommt. Sein Mikrophon lässt er dann ganz cool an einem langen Kabel kreisen und dribbelt geradewegs den Steg von der Bühne entlang hin zu seinen treuen Fans, um ihnen seinen Kussmund zu zeigen.
Da die Karten für die Panik-Show am Samstagabend schnell vergriffen waren, hatte Udo schon am Freitag in der Messe gerockt. Insgesamt begeisterte der Mann, der sich auch an diesem Abend mal ein Eierlikörchen zur Stärkung auf der Bühne genehmigt, an zwei Abenden rund 20.000 Fans. Erfurt ist für Udo „sehr speziell“. „Es gibt vieles was uns hier verbindet im heißen Osten“, ruft er gleich zu Konzertbeginn in die Menge und schwelgt sogleich in Erinnerungen. „Schon vor 89 hatte ich hier viele Freunde, die konnte ich nur nicht besuchen – heute bestimmen wir selber, wer auf die Bühne kommt“, sagt Udo. Auch an die Proben nach der Wende in Suhl und die ersten Konzerte damals in der Erfurter Thüringenhalle erinnert er sich.
An diesem Abend ist Udos Auftritt so politisch und provokant – wie es eben bei einem Panikrocker zu erwarten ist. Er kritisiert die Kirche, die Weltpolitik und proklamiert den Klimaschutz und die freie Liebe. Die Menschen lieben ihn für sein Anderssein und Andersdenken! Damals wie heute. Da erntet er zustimmende Jubelrufe, als seine Tänzerinnen als Priester und Nonnen verkleidet über die Bühne springen. Udo ruft dazu: „Mann und Mann, Frau und Frau – Liebe für alle“ ins Mikrophon. Im nächsten Moment lässt er Tänzer, verkleidet als Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, mitten auf der Bühne in den Boxring steigen, während er Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un auf der Videoleinwand einblendet. Der Applaus ist ihm auch hier sicher. Ebenso gefeiert wird Udo für seinen musikalischen Bezug zu Fridays for Future und Greta Thunbergs Kampf für den Klimaschutz.
Mit Songzeilen wie „Ich mach mein Ding, egal was die anderen sagen“, „Wozu sind Kriege da?“ oder „Ich träume oft davon ein Segelboot zu klauen und einfach abzuhauen“ macht Udo seine politische Haltung an diesem Abend auf musikalische Weise unmissverständlich klar. Beim Song „König von Scheißegalien“ lässt Udo Lindenberg in der Erfurter Messehalle nach gut anderthalb Stunden mit großen, grünen Schlingpflanzen und pinkfarbenen Pelikanen aus Plastik seine ganz eigene Traumwelt entstehen. Seine Fans nimmt er jede Minute mit. Seelig liegen sich viele bei Hits wie „Schwere Zeiten“ und „Cello“ (diesmal leider ohne Clueso) in den Armen.
Nach 150 Minuten ist die Show vorbei. Udo steigt nicht zurück ins Flugzeug, sondern nimmt den „Sonderzug nach Pankow“. Seine Fans strömen hinaus aus der Halle zu den Sonder-Straßenbahnen der Erfurter Verkehrsbetriebe und zu den eigenen, parkenden Autos auf den Parkplätzen an der Messe. Die Wege des Panikrockers und seiner Anhänger trennen sich – Udos Musik dudelt in den Autoradios und auf den Smartphones weiter. Seine musikalischen Botschaften arbeiten bis heute in den Köpfen – hoffentlich!